Eine Rezension:
Max Scharniggs Auflistung von 100 Sätzen, welche einem in Alltagsgesprächen immer wieder begegnen ist genau das, wogegen der Autor in seinem Buch selbst Seite bezieht.
Denn wie im Fernsehen „Top 100“-Chart Sendungen ausgestrahlt werden, welche meist die interessante Namenskonstruktion nach dem Schema „Die 10“ gefolgt von einem beliebigen Adjektiv und einem zufällig ausgewählten Nomen tragen; wirft hier der Autor eine Auswahl an beliebten Alltagssätzen zusammen um daraus ein Buch zu machen. Ja, „machen“.
Schließlich kann man bei der Lektüre von „Das habe ich jetzt akustisch nicht verstanden“ weder besondere Freude am Schreiben erkennen, noch überhaupt ein über das oberflächliche hinausgehende Befassen des Autors an der Materie an sich erkennen.
Zugegebenermaßen, der Titel ist für Scharniggs Verhältnisse durchaus reißerisch und weckt hohe Erwartungen. Auch mag die Auflistung seiner Top100 Sätze durchaus treffend sein. Doch deren bloße Nennung ist auch schon das Beste daran. So mag man noch entzückt schmunzeln wenn man einen dieser Sätze liest, welche jedem wohlbekannt und immer mit einer kleinen kontextverbunden Geschichte verknüpft ist. Liest man beispielsweise „Ich liebe dich auch“, erfüllen einen Konnotationen amouröser Gefühle und paradoxer Gefühlsgeständnisse deren Widersprüchlichkeit sich des Charmes und meinetwegen auch der Amüsantheit eines solchen Satzes bewusst werden lassen. Dies verfliegt jedoch sobald der Autor anfängt seine eigene Meinung zu ebendiesem Satz kundzutun. Denn meist schreibt Scharnigg eh‘ nur das, was man sich eben selbst schon dachte. Dies auf zwei Seiten ausgebreitet zerstört mit ziemlicher Sicherheit den eben noch festgestellten Charme dieses kleinen, unschuldigen Satzes. Schreibt der Autor doch einmal mehr als nur triviale Gedanken dazu die man selbst schon hatte, sind dies meist kleine „Anekdoten“ aus seinem eigenen Leben oder schlecht recherchierte Ergänzungen. Den angeblichen Humor dieser Erzählungen einmal dahingestellt, ist es interessant festzustellen, dass eine Anekdote defintionsgemäß ohne jeglichen literarischen Anspruch ist, was sich in Scharniggs Buch schön feststellen lässt.
Eine belanglose Darstellung von Gedanken die man selbst schon hatte, mag vielleicht noch durchaus amüsant zu lesen sein, wenn sie gut depiktiert wird, intelligent und geistreich geschrieben und ein wenig Originalität ausstrahlt. Doch ebendiese Eigenschaften sind in Scharniggs Buch lediglich spärlich gesät. Vielmehr erscheint es, als sei der Autor durch das bloße Finden seiner hundert Sätzchen schon so erschöpft und beglückt gewesen, dass das Hinzuschreiben von ein paar Zeilen zu jedem zu einer bloßen Qual wurde, die er vor der Veröffentlichung noch abarbeiten musste. Das Ergebnis ist für einen Kolumnisten etwa damit vergleichbar, wie ein Fliesenleger der lustlos einfach alle Fliesen auf den Boden wirft um diesen zu bedecken. Da kann das Muster der Fliese noch so schön sein. Dass viele davon zu Bruch gehen ist unvermeidbar. Schade um die eigentlich amüsanten Sätze.
Retten kann man sie jedoch, wenn man die dem Inhaltsverzeichnis folgenden Seiten 11-151 einfach herausreißt. Nicht ganz so konziliante Menschen würden dem Buch damit eine deutliche Wertsteigerung zuschreiben, denn dann bleiben einem „nur“ die netten Sätze und ein ebenfalls amüsantes Zitat Tucholskys. Dieses lautet übrigens „Hauptsätze. Hauptsätze. Hauptsätze.“. Hätte sich Scharnigg auch mal zu Gemüte führen können, wenn er es schon zitiert und auf seine dilettantischen Verschandelungen dieser durchaus netten Ansammlung von zeitgenössischen Sätzen besser verzichtet.